Alte Sitte Eidring

Runenmagie

Die Runenmagie wird wohl am ehesten von den verschiedenen magischen Richtungen mit der Alten Sitte in Verbindung gebracht und wohl auch von nicht wenigen Menschen betrieben. Runenmagie kann verschiedene Formen haben. Grundsätzlich soll sie so funktionieren, daß die Kraft der Rune (also das Energieprinzip, das die Rune verkörpert) angewandt wird. Runische Magie ist Zeichenmagie, das Zeichen, die Rune, wird ihrem Sinngehalt und ihrem magischen Potential entsprechend verwendet. Man kann sich das vielleicht so vorstellen, daß die Menschen früher die Energien, die sie wahrnahmen, mit Symbolen bezeichnet haben. In diesem Sinne stehen die Runen für bestimmte Energien, zu denen man einen Kanal öffnen und mit denen man arbeiten kann.

Fliegenpilze

Als einfachste Form magischer Runenanwendung ist wohl die Visualisierung zu nennen. Dabei wird die Rune mit ihren Kräften vor dem inneren Auge vorgestellt und sie kann dann auch projiziert werden, was bedeutet, daß man die visualisierte Kräfte auf ein Ziel hin aussendet. Wirksam ist hierbei die Form der Rune, wie sie als Bild erscheint, und gerade in bezug auf die Aussendung in Verbindung mit der gewünschten Wirkung der Rune, die man ebenfalls visualisieren kann. Man kann dies auch sehr gut dadurch unterstützen, daß man die Stellung (Stadha) der Rune einnimmt oder die Rune mit den Händen bildet. Als Beispiel für diese Anwendung könnte man die Heilung nennen.

Runen können aber auch gesprochen oder gesungen werden. Wirksam ist hier der Laut der Rune (was durch Stöður und Visualisierung unterstützt werden kann). Zaubergesänge allgemein werden als seið-læti bezeichnet, die Wortmagie in einem zeremoniellen, runischen Sinn als galdr; es existiert sogar ein eigenes Versmaß dafür, das galdralag. Durch Wiederholung der Worte / Strophen kann eine Verstärkung erreicht werden. Man verwendet hier entweder nur den Runennamen, den man intoniert, bzw. die Runenreihe, die man komplett singt, oder aber richtige Verse, in denen die Wirksamkeit der Runen sich manifestieren soll. Eine Galdr-Verfluchung wird als alög bezeichnet. Golther glaubt, daß "runo" das Raunen oder Murmeln eines Zauberspruches bezeichnet, wohingegen galdr der eigentliche "Zaubergesang" sei (also eine Form von Seiðr).
Die Verwünschung, die Skirnir Gerd androht (Skirnismal), könnte eine solche Verfluchung (alög) sein:

"Einen Riesen (Thursen) ritz ich dir
und drei Runen dazu:
Wollust und Wahnsinn,
endlose Qual;
wie ich's einritzte,
ritz' ich es ab,
wenn es vonnöten."
   [Häny]

Eine mögliche Heilanwendung könnte so aussehen, daß die zu heilende Person sich in die Mitte des von den Ritualteilnehmern gebildeten Kreises stellt. Letztere strecken ihre Hände zur Mitte aus, visualisieren ein helles, weißes Licht und intonieren die Runen, die zum Heilungsversuch passen. Als Beispiel für eine Runenauswahl bei Wirbelsäulenproblemen möchte ich Uruz, Laguz, Eihwaz anführen.

Die nächste Stufe sozusagen ist das Niederschreiben der Worte oder Formeln. Man glaubte vermutlich, daß Aufschreiben mächtiger sei, da das Medium die Runen "konservierte" und zeitlos machte - was dann auch für deren Wirkung gelten sollte.

"Segen-, und Fluchformeln, die ausgesprochen schon so weitgehende Wirkung haben konnten, bekamen eine noch viel größere Kraft, sobald sie in einen Stab eingeritzt wurden und dadurch für eine fast unbegrenzte Zeit ihre Wirkung ausüben konnten. Aus dem Wort rúna darf man folgern, daß die Runen gerade für das Aufzeichnen der gemurmelten Zaubersprüche gebraucht wurden; aus der Bedeutung "Zauberformel" entwickelte sich also jene von "Zauberschrift"."
   Jan de Vries

Deswegen ritzte man Siegrunen in Waffen ein oder Älrunen auf Trinkhörner.

Über Formeln und einfache Sätze ist die Schreibkultur der (heidnischen) Germanen nie hinausgekommen. Es gibt keine längeren Texte in Runenschrift. Die längsten zusammenhängenden Texte findet man auf Runensteinen. Kurze Inschriften findet man auch auf Talismanen und Amuletten. Talismane sind Glücksbringer "für" etwas, Amulette dienen dem Schutz, sind also "gegen" etwas. Der Gedanke ist der, daß durch das Tragen der eingeritzten Rune(n) deren Kraft stets präsent ist. Oft findet man auf Amuletten Begriffe, die schwer zu deuten sind und wahrscheinlich magisch-bedeutsame Begriffe darstellen, wie z.B. alu, das wörtlich "Bier" bedeutet, aber offenbar mit Schutz oder Ekstase zusammenhängt. Runisch interpretiert könnte man deuten: Weisheit, Lebensenergie und Urkraft. Auja wird als Heil gedeutet - die Formel 'gibu auja' heißt dann beispielsweise: Ich gebe Heil. laukaR als "Lauch" oder "Gedeihen"; LinaLaukaR könnte Leinen (Verband) und Lauch (Heilung) bedeuten. laþu ist die "Einladung" = Beschwörung. Oft zeigen Inschriften aber auch nur an, wer der Hersteller des Gegenstands war, wie z.B. die Inschrift auf dem Gallehus-Horn: "ekhlewagastiz : holtijaz : horna : tawiðo" (Ich, Hlewagast aus Holt / Holtisohn, machte das Horn). Oder der Name ist verbunden mit einem "r(unoz) writu" = ich schreibe die Runen.

Frija-Amulett
Beispiel für ein Amulett: Das nebenstehende Bild zeigt ein Frija-Amulett, das ich für meinen Sohn hergestellt habe. 2 Monate vor der Geburt war ich an den Externsteinen, um Donar und Frija um Glück, Schutz und eine gute Geburt zu bitten. Dort schnitt ich ein dünnes Birkenästchen direkt neben den Steinen ab, und von der großen Buche hinter den Steinen am Seeufer schnitt ich ebenfalls ein dickeres Ästchen. Einen Monat nach der Geburt, in der Mütternacht 2001, bastelte ich das Amulett. Der Buchenzweig gab den Fehu-Stamm, während zwei kleine Birkenästchen die beiden Querstriche bildeten. Am unteren Ende ritzte ich eine Berkana-Rune. Die Fehu-Form wählte ich, weil die Rune für den Anfang steht und auch der Name der mütterlichen Gattin Wotans mit F beginnt. Berkana ist die "Mutterrune" schlechthin, und die Kombination aus Fehu und Berkana schien mir sinnvoll (eine Kombination im übrigen, die mich schon seit Jahren immer wieder "verfolgt"). In der Mittwinternacht 2001 wanderte ich im Schneetreiben und in völliger Finsternis zu einem Ritualplatz im Wald. Dort rief ich Wotan und Frija an und bat letztere, sich schützend unserem Sohn zuzuwenden und in seinen ersten Lebensmonaten jegliche Gefahr von ihm fernzuhalten. Donar bat ich abschließend, das Amulett zu weihen. Als ich wieder zu Hause war, wurde das Amulett über das Bett meines Sohnes gebunden, wo es immerhin fast 2 Jahre hing. Zwar war mit der Kindsweihe, anläßlich derer wir Donar um den weiteren Schutz für unseren Sohn baten, das Amulett hinfällig, aber ich zerstörte es erst jetzt zum Herbstfest 2003 im Ritualfeuer, weil wir zu Ostara das zweite Kind erwarten und ich der Meinung bin, daß ein "altes" Amulett dann eher Unglück bringen könnte.

Diese Amulette und andere Gegenstände wurden so erstellt (gøra), daß man die Runen einritzte (rísta) und sie dann einfärbte (fá) - entweder mit roter Farbe oder auch Blut. Das weiß man z.B. von Runensteinen wie dem von Järsberg (um 450 u.Z.): 'runoz waritu' (schreiben); dem von Einang (um 350 u.Z.): 'runo faihido' (malen); oder dem von Noleby (um 450 u.Z.): 'runo fahi' (färben).
Man hat Runen aber z.B. auch in große Holzgegenstände (wie Steuer oder Ruder von Schiffen) eingebrannt (brimrúnar).
Auch heute werden Amulette und Talismane in gleicher Form hergestellt. Es sollte dann ein Weihungs- bzw. Ladungsritual durchgeführt werden. Kurze Hinweise zu einem Weihungsritual für einen neuen Runensatz finden sich hier.

Eine weitere Form der Runeninschrift sind die Binderunen, bei denen mehrere Runen in einem Zeichen kombiniert werden, was auch die Bündelung der jeweiligen Kräfte bedeutet. So kann man z.B. dreimal die Tiwaz-Rune auf eine Waffe ritzen, in der Form, daß die drei Runen wie eine Art Tannenbäumchen aussehen.
Manchmal kann es auch angebracht sein, die ganze Runenreihe zu ritzen und so die Kräfte aller Runen zu beschwören.

Ein weiterer Aspekt, den man aus verschiedenen Inschriften herauszulesen glaubt, ist die Zahlenmagie. Dabei ist es aufgefallen, daß die Zahlwerte der einzelnen Runen einen bestimmten Wert ergeben, der z.B. das Vielfache von 3, 9, 13 oder 24 ist. Vielleicht ist das so gemeint: 24 Runen bilden das Ältere Futhark. Wenn man nun eine Inschrift ritzt, deren Zahlwert 48 oder 72 ist, dann hat man eine höhere Wirksamkeit zu erwarten (?).
Auf diesen Aspekt geht Klingenberg in seiner Darstellung ein.

Ein sehr interessantes Feld ist das Heilen mit Runen, ein Gebiet, auf dem der französische Forscher Yves Kodratoff sehr engagiert ist (einleitender Text). Bei meiner Runeninterpretation gebe ich auch eine (vermutete, mögliche) Heilbedeutung an.

Das Befragen des Runenorakels (Divination) fasse ich nicht unter Magie, es ist auf einer eigenen Seite beschrieben.

"Wir betrachten die Runen vor allem als religiöse Zeichen, singen ihre Namen in Ritualen zur Verehrung der Götter und Kräfte, mit denen sie verbunden sind, und verwenden sie in spirituellen Übungen, um diese Götter und Kräfte zu erfahren und uns mit ihnen zu verbinden. Wir befragen die Runen als Orakel, um in schwierigen Situationen durch sie den Rat der Götter zu erhalten. Wir setzen die Runen auch zu magischen Zwecken ein, z.B. um Heilungen zu unterstützen, betrachten das aber als Kunst, die nach persönlichem Willen und Können ausgeübt werden kann und kein für alle gültiger Teil unserer Religion ist. Gelegentlich verwenden wir die Runen auch für Inschriften und kurze Texte.."
   [Verein für Germanisches Heidentum]

 

Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!